Nein, zuerst Misshelligkeiten plus Überwindungen und dann die Jonglage mit den Freuden, weil vorher der Weg zum Kommenlassen und Genießen nicht frei ist…

Das sage ich jetzt, mit den Füßen fest am Boden. Die Aussage stammt übrigens von ihr, nicht von mir. Sie, die alles fest im Griff behält, was mich betrifft, hortet, katalogisiert, zur Zweitsicht verfügt, manchmal sogar zur Drittsicht und erst dann zum Durchfühlen freigibt,- sie hat die Reihenfolge nicht beachtet.

Daran entdecke ich, dass sie doch nicht immer mir entspricht. –

Klar, der Ausflug zur maßlosen Dummheit der FDP war leicht abzuschließen, weil mit etwas Ähnlichem, nicht so krass vielleicht, zu rechnen war, aber die anderen Querstände, – mit denen habe ich es nicht so leicht.

andiamissimo !

andiamissimo !

 

Zuerst das Wetter. Immer zuerst das Wetter. Ich hatte mich schon auf einen klaren blauen Himmel nach der Fahrt durch den Gotthard gefreut. Bisher war das Jahr für Jahr so gewesen, aber diesmal ist alles verhangen, nieselig und klamm. Wir bemühen uns: Aber-schon-wärmer,als-zuhause, zu sagen. Es klingt nicht überzeugend. In unserer italienischen Wohnung ist es nicht anders.

Jahr für Jahr brauchen wir eine kleine Einfühlungszeit,- diesmal ziehen die grauen Nebel mit ein.

Die Feuchte bleibt, -dagegen hilft das Einheizen mit Holz, das duftet. Ich

suche nach meinen Sinnen, alles geht langsam. Auch das Sehen bekannter Gegend durch Wolken. Eticketten helfen nicht, aber Dasein. Nach der ersten Nacht bin ich da, schon der Träume wegen, die ich gleichzeitig wahrnehme und vergesse. Ich höre, was ich nicht hören will: Sie demonstrieren wieder in Berlin gegen den Durchbruch der berühmten Restmauer, den sie versprochen hatten,

fallen zu lassen und dann doch vornehmen, heimlich, im Morgengrauen.

Mir dreht sich der Magen um. Hier habe ich auch meinen Einsatz auf Einladung versäumt, wie an so vielen Orten. Gleichmut, sage ich und horche dem Mut hinterher. Ja, Gleichmut. Der Mut, Tun und Nichttun für gleichrangig zu erklären. Sie will davon nichts wissen. Ich hätte gewusst haben können, dass wir wieder einmal zur Unzeit gefahren sind. Unzeit, sage ich, was ist das ?

Daraufhin findet sie mich gleichförmig, was ich nicht mehr wahrnehme, sonst hätte ich gesagt, gleichförmig und gleichrangig ist nicht dasselbe.

An diesem Morgen gehe ich mit den Hunden weit raus. Schritte fühlen, den Geist aufrütteln ohne einen Gedanken zu fassen. Wieder einmal eine Beflügelung der Intuition ohne Ziel. Ziellose Schritte, einen nach dem anderen.

Ich bin nicht an Einsichten interessiert, aber schon daran, mich selber zu merken. Ich genieße. Gestern waren noch keine Blätter an den Bäumen, nicht einmal zarte Spitzen, jetzt sehe ich sie. Weiter oben, am Hang, der zum nächsten Hof führt, bellende Hunde. Und zarte Veilchenköpfe auf winzigen Stengeln. Ich pflücke sie, um sie ihr mitzubringen. Auch erste Löwenzahnspitzen, der Frühlingsbeweis an sich. Das Licht hinter den Wolken ist unverkennbar, so sehr die Hunde auch bellen, als wir längst weiter sind. Unverkennbar auch die mildere Temperatur, im Hausinneren wieder verflogen.

Ja, sage ich laut, das nehme ich hin, auch, dass sich einer der Hunde schnell noch in Kuhmist wälzt. Ich ergebe mich. Soviel ich sehe, wird es tatsächlich heller und ganz leicht wärmer.